Bioaktive Gläser können infizierte Knochendefekte und chronische Hautwunden heilen
Seit Januar 2018 präsentieren wir an dieser Stelle monatlich ein spannendes Thema aus dem Bereich der Werkstoffwissenschaften.
Das „Thema das Monats“ ist einfach und verständlich erklärt und gibt aufschlussreiche Einblicke in die Forschungsaktivitäten unseres Departments.
Das Thema des Monats im Februar 2020 kommt aus dem Lehrstuhl für Biomaterialien und hat den Titel:
Bioaktive Gläser können infizierte Knochendefekte und chronische Hautwunden heilen
von Dr. Kai Zheng
Worum geht es bei dem Thema?
Bioaktive Gläser (BGs) sind im Gegensatz zu den im alltäglichen Leben verwendeten konventionellen Gläsern (z.B. Fensterglas, Glaswaren) hochreaktiv und in physiologischen Flüssigkeiten löslich. Sie können durch ihre Auflösungsprodukte spezifische therapeutische Wirkungen (z.B. Förderung des Knochenwachstums und der Blutgefäßbildung) hervorrufen. Seit der Erfindung des ersten BG (45S5 Bioglas) in den späten 60er Jahren wurden viele BGs mit neuartigen Zusammensetzungen und Morphologien (Abbildung 1) entwickelt und in verschiedenen biomedizinischen Anwendungen, wie z.B. Beschichtungen von orthopädischen/zahnärztlichen Implantaten, Knochengewebegerüsten und als Bausteine fortschrittlicher medizinischer Geräte zur Medikamentenabgabe, Wundheilung und Weichteilreparatur, weit verbreitet.
Ich war an dem von der EU geförderten Projekt „MOZART“ als Vertreter des Instituts für Biomaterialien (WW7, geleitet von Prof. Aldo R. Boccaccini) beteiligt. Kürzlich erhielt ich eine Finanzierung aus dem von der FAU finanzierten Programm „Emerging-Talents-Initiative“ (ETI). In diesen Projekten haben wir neuartige mesoporöse bioaktive Glasnanopartikel (MBGNs) entwickelt, die biologisch aktive Ionen (Bor, Silber, Kupfer, Cer) zur Behandlung von verzögerten Knochendefekten und chronischen Hautwunden enthalten. Aufgrund ihrer nanoskaligen Partikelgröße und großen spezifischen Oberfläche (Abbildung 2) haben MBGNs eine größere Oberflächenreaktivität als herkömmliche BGs. Darüber hinaus können Biomoleküle (z.B. Antibiotika, therapeutische Proteine) aufgrund der porösen Struktur und des großen Porenvolumens dieser mesoporösen Nanopartikel effektiv in MBGNs eingebettet werden. In jüngster Zeit konzentriere ich mich auf die Kontrolle der Auflösung von MBGNs im Hinblick auf die Modulation der Auflösungsrate und der Auflösungsprodukte, um geförderte biologische Reaktionen wie beschleunigte Hämostase und geförderte Angiogenese zu erreichen.
Wo findet es Anwendung?
Die entwickelten MBGNs können als vielversprechende Bausteine von Medizinprodukten zur Förderung der Heilung von verzögerten Knochendefekten und chronischen Hautwunden eingesetzt werden. Durch bakterielle Infektionen oder Entzündungen kann die Heilung einiger Knochendefekte oder Wunden (z.B. bei Diabetikern) verzögert oder sogar verhindert werden. Konventionelle Behandlungen, bei denen Antibiotika oder entzündungshemmende Medikamente eingesetzt werden, um die Heilung dieser Defekte oder Wunden zu unterstützen, können während der Lagerung und Verabreichung denaturiert werden. Zudem besitzen diese Medikamente in der Regel eine sprunghafte Freisetzung und können daher keine langfristige therapeutische Wirkung ausüben. Andererseits sind MBGNs im physiologischen Umfeld ausreichend stabil und könnten therapeutische Ionen nachhaltig und kontrolliert freisetzen. Darüber hinaus können spezifische Medikamente auch in MBGNs geladen und lokal freigesetzt werden, um mit den Ionen synergistische Effekte in Richtung geförderter therapeutischer Effekte zu erzielen. Daher stellen MBGNs eine Art stabiles, wirksames und kostengünstiges anorganisches Therapeutikum dar. Die entwickelten MBGNs wurden in verschiedene „intelligente“ Hydrogele (z.B. thermosensitive) eingearbeitet, um injizierbare Komposit-Hydrogele zur Behandlung infizierter Knochendefekte oder zur Heilung entzündlicher chronischer Hautwunden zu entwickeln.
Was ist weiter geplant?
Die entwickelten MBGNs haben eine vielversprechende in-vitro Zellreaktion gezeigt. In Zusammenarbeit mit der Charité – Universitätsmedizin Berlin wurden auch in-vivo Studien in Defektmodellen an Ratten durchgeführt, wobei die Daten gerade analysiert werden. In Anbetracht der wichtigen Rolle der ionischen Auflösungsprodukte bei der Knochenregeneration und Wundheilung werden MBGNs mit kontrollierter Auflösung durch sorgfältiges Design der chemischen Zusammensetzung untersucht, um optimierte therapeutische Effekte für die Geweberegeneration zu erzielen.
Zur Person:
Nach meinem Master-Abschluss an der East China University of Science and Technology (Shanghai, China) zog ich 2012 nach Erlangen, um dort zu promovieren. Im Jahr 2017 promovierte ich erfolgreich unter der Betreuung von Prof. Aldo R. Boccaccini am Institut für Biomaterialien (WW7) der Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) zum Dr.-Ing. Derzeit bin ich als Postdoktorand am WW7 tätig. Außerhalb der Universität spiele ich gerne Fußball, wandere und reise. Außerdem lese ich gerne Geschichtsbücher, koche und spiele Videospiele.